zwei schwalben machen einen frühling?
ich hole etwas aus: die spielleiterin einer anderen geraer spieltruppe musste aus terminlichen gründen sich von einem geplanten und bereits besetzten projekt zurückziehen. die spieler, die alle auch in fabrik-projekten zugange waren, baten darum, die arbeit auf eigene faust in unserem rahmen weiterzuführen. darauf hatten wir lange gewartet. die spielleiterin der gruppe übernahm die supervision und so probten die jugendlichen unter der leitung eines der ihrigen los.
summer.neid.dreams im frühjahr 1999 kam ihre eigenwillige sommernachtstraum-bearbeitung zur premiere. das projekt übertraf unsere kühnsten erwartungen. nicht nur lief der arbeitsprozess ohne probleme, auch die ästhetische qualität stand denen “professionell” geleiteter projekte nicht nach. bestechend war der direkte zugriff. eingerahmt von persönlichen, vom band abgespielten liebesniederlagen erspielten sie sich ein textgenaues, in ihr heute gelegtes konzentrat, das sich auf die waldepisoden der liebespaare beschränkte.
die figuren hatten die spieler so akkurat an sich gezogen, dass eine hinreissende variation das stück und seiner geschichte heute entstand. drei von fünf spielern einte ein eher unterkühltes temperament. was zur folge hatte, dass den (alp)traum an dem abend junge, von ihren liebessehnsüchten längst erschöpfte figuren träumten. wo die dramatik hochkochte, stapelten sie tief und unterliefen diese. wo der irrsinn sie treiben sollte, liessen sie sich widerspenstig und resigniert mitnehmen. denn so sehr liebe keinen reiz mehr bietet, so sehr war sie aber auch das einzige, was sie irgendwie beschäftigen konnte. im komischen kontrast dazu ein enthusiasmierter puck, der sich alle mühe gab, im nassen holz ein feuerchen zu entzünden und schliesslich doch nur selber stolperte.
was uns beeindruckte, war die intuitiv erspielte und konsequent durchgeführte neuinterpretation einer fabel, die so viele fallen spielerischer konvention in sich trägt. und es war frisch, direkt und ungewöhnlich. ganz nebenbei erzählte das stück auch von der ernüchterten stimmung junger leute in einer stadt wie gera, die kaum sinnvolle angebote zur zukunftsgestaltung bereit hielt. entweder man versauert darin oder verlässt irgendwann (wie es alle spieler später auch taten) die heimat.
sueno wenig später stellten vier junge frauen der fabrik ihr tanztheaterstück “sueno” vor. sie wählten diese form, weil sie in ihrer freizeit sowohl theater spielten als auch im extraballet tanzten. wieder der traum im titel. vor dem hintergrund einer fotografierten fahrt durch ihnen wichtige orte von gera vertanzten sie kleine episoden der enge, des sich nicht aushaltens und der sehnsucht nach mehr. es war gleichermassen ein stück über die wehmut, angesichts der bereits getroffenen entscheidung, die stadt zu verlassen. sich nicht aushalten können und doch nicht wegkommen.
auch diese arbeit offenbarte einen direkten und sehr persönlichen zugriff auf das medium. für uns fabrikmacher eine besondere erfahrung, da wir als nicht-tänzerInnen kaum sinnvoll supervisionieren konnten. beide projekte entstanden nahezu ohne jede unterstützung. und bei beiden konnte man auf den mildernden blick der sorte “sie haben es ja selber gemacht” verzichten. die lösungen überzeugten. ohne zögern nahmen wir beide projekte in den “abendspielplan” der fabrik auf.
die zeit schien reif - acht schwalben machen einen sommer
die fabrik war mittlerweile ein umtriebiger ort mit vielen nischen und versuchen geworden. etliches war aufgebrochen, die spielenergie trieb ihre blüten. summer.neid.dreams und sueno schien eine signalwirkung zuzukommen. spielerInnen trafen sich, ideen wurden herumgereicht und als wir zur planung der grösseren vorhaben für 1999/2000 schritten, standen sechs(!) ensembles, insgesamt knapp 40 spieler, mit ihren eigenen projekten in den startlöchern. nahezu alle mittlerweile etwas erfahreneren mitstreiter warfen sich in das abenteuer eines eigenverantworteten zugriffs auf theater. die folge war, dass nur noch drei von uns “geleitete” arbeiten besetzt werden konnten. der drehpunkt ereilte uns überraschend und kraftvoll.
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